Das Ohr zur Welt

Weltweit netzwerken in Zeiten von Corona? Die Macher:innen des Reeperbahn Festivals haben das geschafft. Hier erzählt Evelyn Sieber, Projektleiterin des Reeperbahn Festivals International, welche Hürden das Team nahm – und wovon Hamburg auch in Zukunft profitiert

Das Interview

Nashville, New York, Los Angeles, Peking, Afrika – Destinationen, die während der Pandemie in unerreichbare Ferne rutschten. Aber genau hierhin tragen die Macher:innen eines der wichtigsten Musikfestivals der Welt, veranstalten Konzerte und Konferenzen, schmieden Allianzen mit Musiknetzwerken vor Ort und bringen Newcomer mit Agenturen und Labels zusammen – normalerweise. Dann kam die Pandemie. „Ich war im März 2020 gerade in Kanada gelandet und konnte gleich wieder umkehren“, berichtet Evelyn Sieber: „Von heute auf morgen gab es keine Konzerte, kein Business, kein Austausch vor Ort. Nichts ging mehr!“

Aus dem Nichts entstand dann allerdings eine ganze Menge: „Wir haben vieles online veranstaltet, besonders unser Matchmaking, ein Speed-Dating zwischen Künstler:innen und Musikagenturen funktionierte prima.“ In keinem der Partnerländer gab es Live-Events, aber digitale Konferenzen und Livestreams von Konzerten ließen den Kontakt nicht abbrechen, man traf sich virtuell.

 

„Im Sommer letzten Jahres, als reale Treffen wieder möglich waren, organisierten wir live und online eine zweitägige Veranstaltung mit Konzerten, Panels, Singer-Songwriter-Camp, Company Visits und stellten die Jury für die ANCHOR Awardverleihung 2021 vor“, erzählt Evelyn Sieber. Rund 40 Branchenprofis aus ganz Europa trafen sich mit Abstand und Masken im Festsaal Kreuzberg in Berlin. Weltweit kamen digital tausende Interessierte dazu: „Vormittags schalteten sich unsere Partner:innen der WISE Music Conference aus Peking rein, nachmittags kam Nashville dazu.“ An ein und demselben Tag eine Plattenfirma in China und Nashville zu besuchen, wenn auch digital – ein völlig neues Erlebnis.

Im zweiten Lockdown streamten die Festivalmacher:innen dann aus dem Hamburger Nochtspeicher und dem Knust. Der finanzielle, technische und organisatorische Aufwand war immens: „Ich zeige lieber nicht meine Stundenzettel“, lacht Evelyn und ergänzt: „Ohne die Unterstützung der Stadt und des Auswärtigen Amtes, das unsere internationalen Tätigkeiten mitfinanziert, hätten wir das niemals gewuppt!“ Was vielen Menschen nach wie vor nicht klar sei, ist die gesellschaftliche Bedeutung der Musikwirtschaft – auch für Hamburg, findet Evelyn. „Diese Branche bringt Menschen zusammen, sorgt für den Austausch und das Verständnis der Kulturen untereinander, genau deshalb ist es so wichtig, immer wieder für Sichtbarkeit zu sorgen“, erklärt sie. Ob in einem Land wie China, in dem die Szene mit erheblichen Widerständen zu kämpfen hat, oder New York mit seiner internationalen Vielfalt. Das diesjährige Reeperbahn Festival auf dem Heiligengeistfeld konnte mit 3G-Konzept und den obligatorischen Hygienevorschriften stattfinden – mit rund 25.000 Besucher:innen war es ein voller Erfolg.

Über Evelyn Siebers

Beeindruckend ist auch Evelyn Siebers Karriereweg. Für eine Star-Trek-Messe hängte sie ihren Job als Hotelkauffrau 1999 kurzerhand an den Nagel, -studierte nach einem einjährigen Zwischenstop in Florida in Osnabrück „International Business Studies“, wechselte zu einem Konzertveranstalter nach Sydney, und stieg, zurück in Berlin, in die WOMEX (World Music Expo) ein. Von 2003 bis 2010 arbeitete sie bei der weltgrößten Weltmusikmesse, bevor ihr ein Freund flüsterte, dass da etwas in Hamburg zu ihr passen könnte – das Reeperbahn Festival. „Was Besseres hätte mir nicht passieren können!“, findet die Projektleiterin. Mit ihren Kontakten zu Musikexportbüros weltweit und im Team mit großartigen Kolleg:innen, wie sie betont, brachte es die Reeperbahn Festival Konferenz international zu weltweiter Anerkennung – und hat damit Hamburg als zentralen Ort für die Musikwirtschaft etabliert.

 

Vor Kurzem musste die Präsentation des Reeperbahn Festival International in Johannesburg wegen der neuen Omicron-Variante abgesagt werden. Aber mit dem Abflauen der Pandemie soll das Netzwerk weiterwachsen, erste Kontakte nach Lateinamerika und nach Indien sind bereits geknüpft. „Viele Künstler:innen sind in ihrem eigenen Land erfolgreich und können durch uns neue Märkte erobern. Unser großes Ziel ist ein weltumspannendes Netzwerk für die gesamte Musikwirtschaft zu werden“, erklärt Eyelyn Sieber selbstbewusst. Und dafür dürfte ihrer Meinung nach auch das Festival in Hamburg noch sichtbarer werden. „Mehr Fläche, mehr Konzerte, noch ein bisschen mehr Internationalität – das wäre doch auch gut für Hamburg!“

Sprungbrett Reeperbahnfestival

Konferenzen, Workshops, Matchmaking-Treffen, Panels, Vorträge und natürlich jede Menge Livemusik: Das Reeperbahnfestival bringt die Welt nach Hamburg und Hamburg in die ganze Welt. 2022 heißt das Partnerland USA. Tickets fürs Festival und die Konferenz sind schon im Vorverkauf reeperbahnfestival.com