Klasse statt Masse

Gipfeltreffen Einzelhandel & Hotellerie

Information

Die Pandemie stellt Einzelhandel und Hotellerie vor nie gekannte Herausforderungen.

Alexandra Bagehorn, General Managerin des Alsterhauses, und Hoteldirektor Thomas Kleinertz („The Madison“) diskutieren über Auswirkungen und Perspektiven

PRODUKTION & MODERATION  Ulrike Fischer
FOTOS  Catrin-Anja Eichinger

Für das Gipfeltreffen mit Alexandra Bagehorn und Thomas Kleinertz geht’s hoch hinaus. Denn der etwas versteckt liegende Fahrstuhl im Erdgeschoss des Alsterhauses führt direkt unters Dach in die VIP-Lounge des Alsterhauses. Für General Managerin Bagehorn fängt hier die Zukunft an: Denn wo sich früher exklusiv Gäste und so mancher Star internationale Luxus-Brands bei Champagner und Finger Food zeigen ließen, steht die Lounge allen offen, die ungestört ein paar Sachen anprobieren und den Personal Shopping Service des Alsterhauses nutzen möchten – egal ob Paare, Familien, Freund*innen oder VIPs. Hoteldirektor Thomas Kleinertz vom „The Madison“ ist zum ersten Mal hier, fühlt sich aber gleich wie zu Hause.

Frau Bagehorn, Herr Kleinertz – mögen Sie ein kleines Update zur Situation in Ihren Häusern geben?

Alexandra Bagehorn (AB): Aktuell ist unser Haus wie alle anderen geschlossen. Wie schon beim ersten Lockdown blieben nur wir Kolleg*innen vom Management im Hause und haben von Etage zu Etage alles abgedeckt, wir sind ja noch mitten im Umbau. Aber im Sommer letzten Jahres war es schön – es haben uns Gäste aus ganz Deutschland besucht, durch die Reisen an die Küsten haben viele Tourist*innen einen Abstecher zu uns gemacht. Beim Lockdown light im November haben wir dann eine deutliche Veränderung bemerkt: Zum Shoppingerlebnis gehört die Gastronomie, die zu der Zeit geschlossen hatte, das schmälerte das Einkaufserlebnis in der Innenstadt enorm. Jetzt warten wir, dass wir aufmachen können – ich bin viel im Haus unterwegs, sehe nach dem Rechten, damit alles vorbereitet ist, gieße auch schon mal die Blumen.

Thomas Kleinertz (TK): Für uns war 2020 ein Wechselbad der Gefühle. Erst der Lockdown im März 2020 mit den bekannten Folgen, dann das Aufatmen im Sommer, wo wir wieder 70 Prozent Auslastung hatten – da musste ich unsere Belegschaft schon fast ein bisschen bremsen in ihrer Euphorie – und nun liegen wir unter der Woche bei höchstens zehn Prozent ...

AB: Wer übernachtet denn aktuell in Ihrem Hotel? 

TK: Wie erlaubt, vorwiegend Geschäftskund*innen. Aber wir haben auch ein paar Gäste mit nicht verschiebbaren Krankenhaus- oder Arztterminen. Und glücklicherweise wird in Hamburg viel gedreht, sodass wir immer wieder Filmcrews und Schauspieler*innen beherbergen. Derzeit ohne Bar- und Restaurantbetrieb, aber mit Roomservice.

Frau Bagehorn, wie läuft es im KaDeWe, Ihrer Berliner Schwester?

AB: Das KaDeWe hat in normalen Zeiten ein internationaleres Publikum, allein aufgrund der Hauptstadtlage. Der fehlende Tourismus trifft Berlin da etwas härter. Wir haben in Hamburg erlebt, dass unsere vermeintliche Schwäche, zu wenig internationale Gäste zu haben, sich in Coronazeiten als Vorteil erwies. Als ich im November 2019 hier anfing, war ich überrascht, wie viele Gäste allein aus der Hansestadt kommen. Das ist ein echtes Pfund!

Dennoch beschleunigt die Pandemie das Onlineshopping und beeinträchtigt den Geschäftstourismus. Wie wollen Sie die Menschen für Ihre Häuser begeistern?

AB: Ich glaube, wir haben da schon ein Erfolgskonzept: Schließlich bieten wir nicht nur Textilien an, sondern haben auch eine tolle Interieur-Abteilung, dazu eine abwechslungsreiche Food Hall und exklusive Kosmetik. Das einzigartige Ambiente ist ein nicht zu unterschätzender Faktor – das kann das Internet nicht ersetzen. Das Feedback auf unsere beiden bereits neu gestalteten Etagen war ermutigend, die Leute wollen etwas Besonderes erleben, nach Corona erst recht. Außerdem will man seine neue Tasche oder das edle Outfit doch auch anderen zeigen! Wir werden das Einkaufserlebnis in Zukunft noch mehr personalisieren, um jeder Kundin und jedem Kunden ein unvergessliches Erlebnis zu bereiten.

TK: Das gilt meiner Ansicht auch für den Tourismus. Es ist nicht mehr selbstverständlich, mal eben zu reisen, egal ob nach Bali oder Hamburg. Viele werden bewusster unterwegs sein, und ich kann nur hoffen, dass der Sinn für Wertigkeit steigt. Vielleicht spielt uns Corona da sogar in die Hände. Man bekommt heute ein T-Shirt für 2 Euro oder eine Übernachtung in Hamburg für 37 Euro. Was soll da für die Näher*in bzw. Reinigungskraft übrig bleiben? Das ist weder nachhaltig noch anständig. Aber der Trend für Hamburg kann nur sein, echte Erlebnisse und Nähe zu schaffen – und um Gäste zu werben, die sich etwas gönnen wollen, zum Beispiel doch das größere Zimmer und den Zugang zu einem schönen Spa-Bereich. 

AB: Das spürt man jetzt in der Pandemie ganz besonders: Die Menschen wollen sich etwas Gutes tun! Wir verkaufen aktuell zwar weniger dekorative Kosmetik – die braucht man ja vielleicht nicht ganz so dringend im Homeoffice – aber edle Düfte und Pflegeprodukte gehen umso besser. 

TK: Als inhabergeführtes Hotel haben wir ohnehin eine große Bindung zu unseren Gästen, aber man muss am Ball bleiben, das ist kein Selbstläufer mehr.Wir geben beispielsweise ein eigenes Magazin heraus, in dem wir Tipps geben, die man nicht in jedem Reiseführer findet.

Sie sind seit 19 Jahren im „The Madison“: Wie hat sich der Hamburger Tourismus seitdem verändert?

TK: Früher war tatsächlich viel mehr Geschäftstourismus in Hamburg unterwegs, weniger Touristen, die Auslastung war immer top, da musste man sich gar nicht groß kümmern. Dass sich in den letzten Jahren immer mehr Hotels angesiedelt haben, ist kein Wunder: Hamburg war immer ein Wachstumsmarkt. Ich finde es gut, dass wir Hotels wie das „Vier Jahreszeiten“ haben, die machen einen fantastischen Job. Auch „The Fontenay“ zu bauen, dazu gehört wirklich Mut: Ich hätte gern mehr Hotels dieser Sorte in der Stadt.

Wie läuft die Vernetzung untereinander, besonders was die Beschränkungen betrifft?

AB: Ich komme aus Frankfurt am Main und kannte es in dieser Form nicht, dass der Handel in der City so vernetzt ist, das ist in Hamburg wirklich etwas ganz Besonderes. 

TK: Vielleicht liegt es auch daran, dass bei uns insgesamt die Fluktuation nicht so groß ist, viele Hoteldirektor*innen kennen sich seit Jahren und auch in den Verbänden sitzen verlässliche Partner*innen. Susanne Brennecke vom TVH beispielsweise schickt seit März letzten Jahres jeden Tag einen Corona-Newsletter mit Infos, Zahlen und Verordnungen an alle Mitglieder – das ist sehr hilfreich!

Der Jungfernstieg ist seit Kurzem verkehrsberuhigt. Wird das in Zukunft die  Innenstadt beleben?

AB: Die Holzkästen auf dem Mittelstreifen sind jetzt nicht das, was wir uns unter einem Prachtboulevard vorstellen, das habe ich dem Verkehrssenator Anjes Tjarks auch geschrieben. Wenn ein schlüssiges Gastronomiekonzept dazukommt und die Gestaltung stimmt, könnte das toll werden. Wir sind da in enger Abstimmung mit der Stadt.

TK: Trotzdem fehlen mir noch die Konzepte, wie die Besucherströme wirklich gut an die Hand genommen werden, wie es mit Parkplätzen etc. aussieht, da muss die Stadt noch offensiver werden. Auch dass in der Innenstadt praktisch niemand wohnt, macht es nicht leichter. 

AB: Wir können in Zukunft auf jeden Fall noch intensiver und abgestimmter zusammen arbeiten, die Verbindung von Hotel, Shoppingerlebnis und Elbphilharmonie passt super zusammen.

Und wie sieht Ihr ideales Hamburg von morgen aus?

TK: Die Stadt hat jetzt schon so viel zu bieten! Die Vielfalt von Wasser, Parks, Kultur und Hafen – vom innerdeutschen Tourismus werden wir in den nächsten Jahren ganz bestimmt profitieren. Ich denke da an unser 7-Tage-Angebot letztes Jahr – das hat schon mal super funktioniert.

AB: Ich sehe auf dem Jungfernstieg viele junge Leute und wenig Verkehr, vielleicht eine Skaterlandschaft für Jugendliche und schöne Cafés und Plätze zum Verweilen. Eine moderne Innenstadt, in der sich alle gern aufhalten!